Bert Gerresheim: die Kunst des Vexierens II – Heinrich-Heine-Monument

Heinrich-Heine-Monument (1981)

ert Gerresheim: Heinrich-Heine-Monument (1981)
Bert Gerresheim: Heinrich-Heine-Monument (1981)

Als 1981 die Heinrich-Heine-Bronzeplastik von Bert Gerresheim am Schwanenmarkt in Düsseldorf eingeweiht wurde, war die Polizei vor Ort, weil man das umstrittene Denkmal in die Luft sprengen wollte. Inzwischen hat sich die Empörung gelegt.

Das Heinrich-Heine-Monument am Südende der Parkanlage Schwanenmarkt zeigt den Dichter Heinrich Heine in Gestalt seiner zerstückelten und gespaltenen Totenmaske als physiognomische Vexier-Landschaft. Diese soll die Zerrissenheit Heinrich Heines zeigen, die dieser in seinen Reisebildern: „Die Bäder von Lucca“ (1829) beklagt. Zitat: „Ach, teurer Leser, wenn du über jene Zerrissenheit klagen willst, so beklage lieber, dass die Welt selbst mitten entzweigerissen ist.“

Die Idee für das Heine-Monuments gab der Bankier Stefan Kaminsky. Er erklärte sich bereit, die Finanzierung eines Denkmals zu übernehmen, das der Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim herstellen sollte. Die Stadt Düsseldorf willligte ein und stellte einen geeigneten Standort am Schwanenmarkt bereit. Das Heine-Monument wurde am 17.2 1981, am 125. Todestags Heinrich Heines aufgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert. Auf dem Gedenkstein wird das Monument als „Physiognomische Vexierlandschaft“ beschrieben. Das Denkmal war wegen seiner unkonventionellen Darstellung anfangs sehr umstritten.

Der Begriff „physiognomische Gesichtslandschaft“ lädt den Betrachter zum Betreten des Monuments ein. Er kann es wie eine Landschaft durchwandern. Dabei bieten sich immer wieder neue Blickwinkel auf das Wirken Heines.

Für das Monument nahm der Künstler die Totenmaske Heinrich Heines zur Vorlage. Durch die künstlerische Technik der Vexierung führte Gerresheim Brüche,Verzerrungen und Dislokationen der Totenmaske herbei, um diese damit in die Mehrdeutigkeit aufzubrechen.
Er fertigte zunächst ein großes Gipsmodell, das endgültige Monument wurde in einzelnen Stücken in Kupfer gegossen. Die fertige Gesichtslandschaft  ist 2.50 m hoch, 5 m breit und 8 m lang. Das Gesicht ist in zwei großen Bruchstücken auf einem flachen Betonsockel ausgebreitet, das Gesicht ist zum Himmel gerichtet .

Bert Gerresheim: Heinrich-Heine-Monument
Vexierte Totenmaske Heinrich Heines

Die Totenmaske wurde zwei Tage nach dem Tod Heinrich Heines von Joseph Fontana abgenommen und ist im Heinrich-Heine-Institut zu besichtigen. Die Totenmaske zeigt, wie Heinrich Heine wirklich ausgesehen hat. Gerresheim ließ die Totenmaske jedoch nicht unbearbeitet und schuf kein realistisches Abbild. Durch das Mittel des Vexierens gelang es Gerresheim verfestigte Normen und Profile aufzubrechen und neue Bedeutungen freisetzen.
Vexieren bedeutet u.a. so viel wie quälen, wodurch der Eindruck des leidenden, in sich zerrissenen Dichters verstärkt wird. Die übergroße Nase der rechten Gesichtshälfte soll auf eine Spürnase hindeuten, auf jemanden, der seine Nase gerne in fremde Angelegenheiten steckt.

Bert Gerresheim: Detailansicht Heinrich-Heine-Monument: Trommel
Detailansicht Heinrich-Heine-Monument: Trommel

Die Trommeln
Am untersten Fuß des Monumentes befinden sich zwei Trommeln. Eine funktionstüchtige Trommel mit der Aufschrift: „Egalité, fraternité, liberté“ und eine zerbrochene Trommel. Dieser Schriftzug stellt den Bezug zu den Idealen der Französischen Revolution her. Gleichzeitig weist das Symbol auf eine poetische Figur im Werk Heinrich Heines : Den Trommler Monsieur Le Grand. Diese poetische Figur steht für Heinrich Heines Kampf für die Ideale der Französischen Revolution. In dem Buch „Le Grand“ beschreibt Heinrich Heine zwei Begegnungen mit diese Figur. Die erste Begegnung findet in der Kindheit Heinrich Heines in Düsseldorf statt. Le Grand spricht kaum Deutsch und erklärt  dem jungen Heine die Ideale der französischen Revolution durch das Spielen auf seiner Trommel. Der Marseiller Marsch stand für das Wort „Liberté.  Der Marsch „ca ira, ca ira“ für „egalité“. Monsieur Le Grand trommelte und Heine verstand ihn.  10 Jahre später nach dem verloren Russlandfeldzug Napoleons trifft Heinrich Heine Le Grand im Düsseldorfer Hofgarten wieder. Mit der Niederlage Napoleons war auch die Hoffnung auf die Verwirklichung der Ideale der Französischen Revolution begraben. Die Trommel verstummte, die Ideale waren zerbrochen.
Die Ideen der Französischen Revolution wurden dennoch von Heinrich Heine nicht aufgegeben. Heine selbst sah sich weiterhin als „Trommler im Freiheitskriege der Menschheit“.
Neben den Trommeln entdeckt man im Monument Frauenschuhe und deren Negativabdrücke. Womöglich ein Hinweis auf die Spuren, die Frauen und Liebesbeziehungen in Heines Leben hinterlassen haben.

Der an einer anderen Stelle positionierte Schuhspanner deutet eindeutig auf Eugenie Mirat hin. Mit ihr war Heinrich Heine seit 1841 verheiratet. Vor der Ehe mit Heinrich Heine war sie Schuhverkäuferin, eins der „Volksweiber“ die Heinrich Heine so schätzte. Von ihr wurde  Heine bis zu seinem Tod in Paris gepflegt.

Die Kissen und Decken befinden sich neben den Frauenschuhen und bilden einen Übergang zu einem etwas höheren Plateau. Sie deuten auf das lange Siechtum Heines in Paris hin. Teilweise kann man diese aber auch aufgrund der Nähe zu den Damenschuhen als ein erotisches Accessoires deuten.

Auf einem anderen Plateau befinden sich ein Buch und eine Schere. Auf dem Buchdeckel befindet sich ein Zitat eines jugendlichen Heine-Bildnisses . Das Bild erinnert an den jungen Heine, an den romantischen Autor des „Buch der Lieder“, aber auch an den jungen revolutionären Heine. Die Schere hingegen war im 19. Jh. das Symbol für die Zensur. Die „Karlsbader Beschlüsse“ von 1819 stellten zwar die Pressefreiheit in Aussicht, aber in der Praxis herrschte die Zensur. Für Heine stellte diese Einschränkung der Meinungsfreiheit ein Hindernis bei seiner Arbeit dar. Andererseits schulte sie seine Fähigkeit zu versteckter Kritik und spöttischer Ironie Doch entziehen konnte er sich der Zensur nicht. 1827 wurde Heine Heinrich Heine bei seinem zweiten Besuch der Wartburg als Autor der „Reisebilder“ des Landes verwiesen, und Göttinger Professoren erwirkten wegen der Parodie auf die Stadt Göttingen ein polizeiliches Verbot der „Reisebilder“ in Göttinger Leihbibliotheken. 1833 kam es zu einen Verbot der Schriften Heines in Preußen. Als Höhepunkt der Zensur wurden Heinrich Heines Schriften ab Dezember 1835 kategorisch in Deutschland verboten.

Reissverschluss Der Reißverschluss öffnet einen Teil des ausgebreiteten Leichentuches. Der halb geöffnete Reißverschluss bietet dem Betrachter nun einen imaginären Blick in Heinrich Heines Grabkammer. Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren und starb 1856 in Paris. Durch den Verweis auf das reale Grab Heinrich Heines wird eine Verknüpfung zwischen Geburts- und Todesstadt Heinrich Heines hergestellt.

Links:
http://web.archive.org/web/20050428233055/http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/geschichte/summerschool/heine-monument/vorstellung.html

Auch interessant:

Bert Gerresheim: Die Kunst des Vexierens I – Märtyrer und Heilige

Bert Gerresheim: die Kunst des Vexierens II – Heinrich-Heine-Monument

Bert Gerresheim: Die Kunst des Vexierens III – Denkmale in der Düsseldorfer Altstadt

Bert Gerresheim: Die Kunst des Vexierens IV – Hoppeditzdenkmal und Mutter-Ey-Skulptur